Gedanken zum Gleitschirm Start – von Christian Schiller

Hallo alle zusammen. Oft stehen wir am Startplatz und machen uns Gedanken. Die Hände sind feucht, manchmal ist auch kalter Schweiß auf der Stirn. Unser Hirn fährt Achterbahn. Warum? Wir wollen mit dem Gleitschirm fliegen gehen, unserem Hobby, es genießen über Landschaften zu gleiten, in den Aufwindgebieten höher zu steigen, von einem Berg zum nächsten fliegen, von einer Wolke zur anderen. Was lässt uns jetzt so umherzappeln? Genau, vor dem Fliegen kommt der Start! In nur 60 Starts hat uns unsere Flugschule versucht zu vermitteln was wir tun sollen. Der Fluglehrer hat am Funk zu uns gesagt mach mal dies und mach mal das, und irgendwie sind wir in die Luft gekommen. Jetzt sind wir seit Jahren mit unseren Freunden/Vereinskameraden unterwegs und kommen in die Luft. Mal besser mal schlechter (schaukel, pendel, schleif, stürz). Warum? Ich freue mich aufs Starten! Wenn ich an einen Startplatz komme, egal wo auf der Welt, sauge ich die Umgebung ein, mache mir ein Bild von der herrschenden Situation. Ist sie konform mit dem Wetterbericht? Nach einer Zeit der Beobachtung entschließe ich mich zum Starten, richte meine Ausrüstung her, bereite mich vor und freue mich aufs Fliegen.


Jeder Start erfährt das selbe Prozedere. Der Gleitschirm muss flugfähig gebracht werden durch Aufziehen, das eigentliche Aufbauen des Luftfahrzeuges. Egal ob vorwärts mit Blickrichtung in Startrichtung oder rückwärts, ich lasse mir Zeit, um zu sehen und zu fühlen wo der Gleitschirm ist. Sobald der Gleitschirm den Boden verlässt führe ich in ruhigen angepassten Bewegungen den Gleitschirm in die Höhe, unterlaufe ihn wenn notwendig. Egal ob mit Blickrichtung zur Startachse oder nicht wird der Schirm mit so viel Bremse wie notwendig stabilisiert und aufgezogen.


Erst wenn der Gleitschirm über mir ist, es keiner weiteren Korrektur mehr bedarf, kann ich mich nach dem rückwärts Aufziehen umdrehen in Startrichtung. Der Blick geht jetzt nur noch nach Vorne. Da will ich hin. Bin ich auf Startachse? Was machen Wind und Gleitschirm ? Ruhig mache ich auch nach dem vorwärts Aufziehen Schritte in Startrichtung um zu checken ob ich da bin wohin ich will, zu fühlen ob Gerät und Pilot eine Einheit sind. Ich genieße das Gehen unterm Gleitschirm, vermittelt es mir doch das Gefühl Herr der Lage zu sein. Erst dann blicke ich, Gleitschirm stabil über mir, Weg gerade nach vorne, beim Vorwärtsstart zum Gleitschirm für die optische Kontrolle. Ich habe Zeit. Nur wer Zeit hat und langsam ist wird auch etwas sehen. Kontrolliert.


Ich treffe ganz bewusst die Entscheidung jetzt abheben zu wollen. Mit größer werdenden Schritten pilotiere ich mein Lufsportgerät, Hände wandern langsam von unten nach oben auf ca. Brusthöhe gerade in die Luft. Alle meine Bewegungen sind stimmig, immer der jeweiligen Luftsituation angepasst. Laufbereit gleite ich vom Gelände weg, bis ich mit ausreichend Höhe gemütlich ruhig in den Sitz rutsche. Abgehoben.

Ich genieße Starten, weil ich alle Phasen des Starts ganz bewusst durchlebe. Ganz bewusst gleiche ich alle Unruhe aus bevor ich mich umdrehe. Ganz bewusst unterlaufe ich und bremse. Ganz bewusst spaziere ich unterm Gleitschirm und schaue weit, nehme wahr was um mich geschieht. Ganz bewusst fühle ich mein Fluggerät. Bis ich mich zum Abheben, dem eigentlichen Start, entscheide. Und wenn das lange dauert , um so besser, freue ich mich länger aufs Fliegen. Das ist kein Geschwätz von einem Fengshui abhängigen. Seit 27 Jahren gehe ich fliegen und habe viel gesehen und mit erlebt. Versucht es mal, und ihr werdet sehen, wie geil es ist unterm Gleitschirm spazieren zu gehen. Die totale Kontrolle. Nur wer sein Luftfahrzeug kontrollieren kann sollte fliegen gehen. Und stellt euch mal die Frage warum ihr das nicht wollt. Wer so kontrolliert startet wird nie einen Unfall haben. Das sollte doch Ziel genug sein.
Christian Schiller
DHV Sicherheitstrainer

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