Gewitter und die Gefahren beim Gleitschirmfliegen

Der Mai 2018 gehörte zu den gewitterträchtigsten Monaten überhaupt. Grund war die feucht-labile Warmluft in Kombination mit flacher Druckverteilung und wenig Wind, was Gewitter begünstigt. Der Juni geht gerade erstmal so weiter. Zur Bildung von Gewitterzellen muss eine instabile Schichtung der Luft und genügend Feuchtigkeit vorhanden sein. Auch Höhentiefs können eine Gewitterbildung begünstigen und weitere Faktoren wie Topografie usw. spielen auch eine Rolle.

 

Leider wurden in letzter Zeit die potentiellen Gewitter gar nicht mehr richtig ernst genommen, wahrscheinlich weil sie fast schon zur Tagesordnung gehörten. Fast täglich flogen die Gleitschirmflieger noch umeinander, obwohl es im Nachbartal bereits regnete, blitzte und donnerte. Ein gefährliches Spiel. Gewitterböen (Kaltluftausflüsse) können bis zu 50km vor die eigentlich Zelle reichen und können zu heftigen Klappern und Abstürzen führen. Oft bemerkt man den Kaltluftausfluss erst beim landen (kalte Luft ist schwerer und bewegt sich am Boden entlang) während des weiter oben “plötzlich überall gut und ruhig trägt”. Was passiert wenn man in eine Gewitterwolke hinein gesaugt wird, braucht man seit dem Exkurs von Ewa Wiśnierska wahrscheinlich keinem Flieger mehr erzählen: Apokalyptische Zustände, Piloten die vom Blitz getroffen werden und mit Retter weiter nach oben gesaugt werden… das muss man nicht ausprobieren.

 

Wie erkenne ich Gewitter?

 

Wenn wir von “Gewittern” sprechen, reden wir meist von den sog. Wärmegewittern, also den Gewittern die durch Konvektion v.a. im Sommer entstehen. Daneben gibt es noch die sog. Frontgewitter die v.a. vor herannahenden Kaltfronten ausgelöst werden und ebenfalls extrem gefährlich sind.

Radarbilder/ Niederschlags Animationen: Viele Piloten denken mit den Sateliten/Radarbildern sind sie vorbereitet. Das ist leider falsch. Auf den Radarbildern sieht man die Wärmegewitter nur, wenn sie bereits da sind. Es kann sich gerade eine Zelle über Dir Aufbauen aber auf dem Radarbild siehst Du sie noch nicht. Trotzdem sind diese Hilfsmittel natürlich klasse um zu sehen wo breits Zellen stehen und wenn überall um Dich herum Gewitter stehen ist die Gefahr das in Deinem Fluggebiet auch gleich eine Gewitterzelle entsteht sehr groß. Ich empfehle hier für das Smartphone die MeteoSwiss App für das Allgäu und die Südtirol App für die Alpensüdseite. Um heranrückende Kaltfronten zu beurteilen und zu erkennen sind die Radarbilder sehr gut.

ALPTHERM PROGNOSE FÜR DEN HEUTIGEN TAG – NOCH FLIEGEN GEHEN? GEWITTER BEREITS AM VORMITTAG ANGEKÜNDIGT
NIEDERSCHLAGSRADAR PROGNOSE – GEWITTERZELLE ÜBER OBERSTAUFEN UM CA. 16.30 UHR – MAL SCHAUEN OB DIE ZELLE DAS AUCH WEISS 😉

Wetterberichte: Wenn bereits in den Wetterberichten von hoher Gewittergefahr/ feucht-labiler Schichtung /Flachdrucklage /feuchte Warmluftzufuhr usw. geredet wird, sollten die Alarmglocken läuten und der Pilot lieber einmal zu früh wie zu spät zum landen gehen oder die oft ruhigeren morgendlichen Flüge gewählt werden. Sehr hilfreich sind hier die Alptherm Prognosen der Austrocontrol.

 

Lage vor Ort/ Umgebung wahrnehmen: Die Lage richtig einschätzen ist nur mit viel Erfahrung, Sensibiliät und Ortskenntnis möglich. Zum Beispiel fliegen wir oft am Gardasee noch, wo ich in anderen Gebieten niemals mehr in der Luft wäre, weil ich das Gelände extrem gut kenne und der See sehr viel abhält aber auch da kann man sich nicht immer 100% sicher sein. Wichtig ist, wenn Du Dir nicht ganz sicher bist, lass es lieber und starte nicht. Lass Dich auch nicht davon abbringen wenn andere Piloten starten oder in der Luft sind. Mach Dir Dein eigenes Bild. Würdest Du auch Starten wenn kein anderer Pilot in der Luft ist? Ein Vollpfosten ist immer mit dabei 😉 Oft hört man auch: “Ich will nur noch schnell runter fliegen” 😉 Hoffentlich gehts gut! Ein häufiges Zeichen für mögliche Gewitterbildung sind bereits in der früh aufquellende Cumulus castellanus (Türmchenwolken) und natürlich massiv hohe Wolken wie Cumulus congestus usw. Mammatus Wolken deuten bereits auf Kaltluftausflüsse in der Höhe hin und sollten extrem Ernst genommen werden. Wenn Du bereits in der Luft bist und sehr hohe Wolken um Dich herum siehst, sollte es Dich nicht wundern wenn die Steigwerte unter DEINER Wolke plötzlich auch zunehmen, den die Wahrscheinlichkeit das Du auch unter so einer Wolke hängst, sind groß (von unten sieht man das vertikale Wachstum nicht gut). Oft ein Zeichen für labile/ gestörte Wetterlagen sind in den Bergen auch die aussetzenden Talwinde. Auch bei Gewittern setzen diese häufig aus, weil die Luftmassen überall “abgesaugt” werden. Auch ungewöhnliche Winddrehungen solltest Du ernst nehmen und solche Zeichen bewußt wahr nehmen. In den Bergen sieht man leider oft die Gewitter nicht oder erst nach dem Start weil sie im Nachbartal stehen und durch die Berge nicht rechtzeitig wahr genommen werden. Auch sind sie manchmal verdeckt durch andere Wolken/ bedeckten Himmel und können nicht klar ausgemacht werden.

 

Was kann ich tun wenn ich mich verschätzt habe? Fliege sofort an den Wolkenrand (angelegte Ohren mit Beschleuniger und ggf. Aufpendeln) und versuche dann (wenn Du dies bereits gelernt hast) abzuspiralen und so schnell wie möglich zum landen zu gehen. Die “Flucht” vor Gewittern, z.B. ins Nachbartal gelingt manchmal, aber nicht immer. Viel Spaß beim sicheren Gleitschirmfliegen!

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