Gleitschirm Liegegurtzeug richtig einstellen

Gleitschirm Liegegurtzeug richtig einstellen

Liegegurtzeuge korrekt einstellen bedarf oft viel Zeit und einige Flüge bis alles passt. Hierfür sollte sich der Pilot mit seinem Gurtzeug intensiv beschäftigen. Zum Glück kommen mittlerweile viele Liegegurtzeuge von den Herstellern richtig gut eingestellt und passen gleich “out of the box”. Je nach Gewichtsklasse lassen sich Pod (Beinsack) und Sitzschale entweder komfortabel mittels Schnallen (semileichte und schwere Liegegurtzeuge) oder etwas aufwendiger mittels Leinenknoten, Kugelsystem (Advance) oder Loops justieren (in der Leicht- und Ultraleichtklasse der POD Gurtzeuge). Letzteres benötigt deutlich mehr Zeit für die korrekte Einstellarbeit.

Hier wird der Pod und die Sitzschalte mittels einfachem Knotensystem in der Länge eingestellt. Auszug aus dem Handbuch des Niviuk Arrow Gurtzeuges
Das Kugelsystem von Advance. Die Kugel /Stopper wird nach rechts und links verschoben und so die Leine in der Länge verändert.
Hier die die Länge des Pods mit einer einzigen Metallschnalle justiert. Auszug aus dem Handbuch des GTO Light2

Was heißt jetzt aber das Gurtzeug richtig einstellen?

Ich empfehle eine Beratung bei gutem Fachpersonal. Bei einer guten Beratung wird geschaut ob das das Gurtzeug auch wirklich zu Dir passt (Gewichtsklasse, Flugkönnen, Sensibilität des Gurtzeuges usw.). Ein Fachmann schaut auch auf die richtige Sitzbreite und -tiefe, eine gute Rückenabstützung usw. und kann von außen gut beurteilen wie der POD steht.

Hier ist der Rücken optimal abgestützt und das Rückenteil hat die perfekte Länge für den Piloten. Auszug aus dem Handbuch des Advance Weightless

Wenn Du das Gurtzeug anlegst, justiere als erstes die Schultergurte in der Länge. Die Sitzschale darf hierbei nicht zu hoch über dem Allerwertesten hängen um ein einfaches Ein- und Aussteigen aus dem POD/Sitzschale zu gewährleisten.

Auszug aus dem Handbuch des GTO Light2. Einstellmöglichkeiten der Sitzschale

Sobald Du im Gurtzeug sitzt beginnt die Justierarbeit der Sitzposition in der Sitzschale. In der sitzenden Position solltest Du übrigens die Schultergurte nicht mehr viel in der Länge verändern. Sie müssen etwas locker sein den sie sollen ja auch stehend noch in der Länge passen. Wenn es Dich stört das sie seitlich herab rutschen gibt es Schultergurtspanner zur Justierung.

 

Die Feinjustierung der Sitzposition ist ansonsten sehr ähnlich wie bei einem Sitzgurtzeug. Mit der Rückenverstellung lässt sich die Neigung des Oberkörpers (liegend/aufrecht) einstellen (2). Ich empfehle hier eine eher aufrechte Position. Der untere Lendenwirbelbereich lässt sich ebenfalls häufig mittels Querleine von der Hauptaufhängung zum Allerwertesten einstellen (1) und bestimmt auch die Höhe des Schwerpunktes und wie der untere Rückenbereich abgestützt ist. In der Regel passt die Grundeinstellung. Wenn man das Gefühl hat nach vorne heraus zu rutschen justiert man noch die Querleine die nach vorne zur Sitzbrettschale läuft (3). Wenn man sie anzieht, sitzt man etwas mehr in einer Mulde und hat mehr Anpressdruck am Unterschenkel, wenn man sie weit aufmacht wandert oft der POD im Anstellwinkel nach unten.

Auszug aus dem Handbuch des GTO Light2. Frontgurt Einstellung

Auch die Front-/Brustgurtbreite kann im Simulator oft korrigiert werden. Ganz offen wird das Gurtzeug sehr sensibel, angezogen stabilisiert das Gurtzeug mehr, die Twistgefahr steigt aber auch. Die Frontgurtbreite sollte unbedingt mit dem eigenen Gleitschirm in der Luft ausprobiert werden, da die Karabiner hier nochmals anders abgespreizt werden als im Simulator.

Auszug aus dem Handbuch des X-Rated Gurtzeuges. ABS System

Die seitlichen ABS Gurte sollte man sehr vorsichtig einstellen bzw. erst einmal so lassen wie vom Hersteller vor eingestellt (falls diese überhaupt vorhanden sind). Sie geben, ähnlich einer Kreuzverspannung, eine hohe Rollstabilität wenn sie angezogen werden machen das Gurtzeug aber sehr starr und stabil für den Thermikflug (man kippt weniger stark in eine Seite bei einem Klapper und kann das Körpergewicht schwerer verlagern). Stark angezogene ABS Gurte erhöhen ebenfalls die Twistgefahr bei Einklappern und Stalls.

Handbuch Auszug des Kortel Kanibal Race zu den ABS Gurten

Wettkampfgurtzeuge wie das Kanibal Race und X-Rated7 bieten ein flexibles Stabilisierungssystem (roter Ball am Hauptkarabiner, siehe Bild), das während dem Flug verstellt werden kann. Bei vollbeschleunigtem Fliegen wird das System angezogen um maximale Stabilität gegenüber Roll- und Gierbewegungen zu bieten, im Thermikflug wird das System wieder gelockert um bessere Körpergewichtssteuerung zu emöglichen.

Stabilisierungssystem eines X-Rated 7 Gurtzeuges

Den POD nun richtig einstellen ist bei jedem Gurtzeug etwas anders. Es geht darum gleichmäßigen Druck bei ausgestreckten Füßen auf die POD Platte auszuüben ohne das die Füße und Beine dabei ermüden. Hier empfiehlt sich immer ein Blick ins Handbuch. Einige Gurtzeuge haben nur eine Schnalle zur Justierung des Pods was die Arbeit ungemein vereinfacht (Delight4, GTO Light2 usw.). Viele Ultraleichtgurtzeuge müssen mittels 3-Leinen System im Podbereich richtig eingestellt werden. Dies ermöglicht optimaleres Einstellen des Beinsacks aber auch höheres Fehlerpotential für Einsteiger. Hierbei fängt man meist im unteren Bereich an und justiert die Leine von der Sitzschale zum Fußballen (Graphik 1 unten). Danach geht man zur Diagonalleine um den Winkel richtig zu justieren (Graphik 2 unten) und als letztes stellt man die oberste Leine zur Podplatte (Zehenspitze) richtig ein (Graphik 3 unten). Richtig bedeutet, dass der Pilot gleichmäßigen Anpressdruck auf die Podplatte ausüben kann, alle Leinen nahezu gleich gespannt sind und der Winkel des Pods zur Horizontalen in etwa 0 Grad beträgt. Der Pod sollte auch keine Falten werfen und sauber schließen.

Auszug aus dem Handbuch des Weightless. Korrekter POD Winkel
Auszug aus dem Handbuch des Weightless. Untere POD Leine justieren
Auszug aus dem Handbuch des Weightless. Diagonale POD Leine justieren
Auszug aus dem Handbuch des Weightless. Obere POD Leine justieren
Handbuch Auszug vom Neo Stay Up2 Gurtzeug, Korrekte und falsche POD Winkel

Der Beschleuniger muss natürlich ebenfalls eingestellt werden. Dieser verläuft am Boden des PODS entlang und ist fast immer mit zwei Gummizügen vorne an der POD Platte befestigt damit er etwas im POD schwebt und vom Piloten leicht zu angeln ist. Das Beschleunigen im POD mit2-3 stufigem Beschleuniger, ist einer der großen Vorteile von POD Gurtzeugen im Vergleich zu Sitzgurtzeugen. Das Einstellen im Simulator macht nur grob Sinn, da die Beschleunigerwege bei Deinem Schirm wahrscheinlich anders sind. Also bei jedem Flug einfach testen und am Landeplatz nochmal nachjustieren.

 

Tipps für die ersten Flüge mit POD Gurtzeug: Gerade für Einsteiger gilt die oberste Regel nach dem Start: Fly the aircraft! Sollte man nicht gleich in den Pod einsteigen können werden einige Flieger panisch und vergessen die Flugbahn. Relax! Weit nach vorne auf den Frontgurt legen und mit einem Bein nach hinten strecken und den POD angeln. Gummizüge zwischen POD und Schuh des Piloten erleichtern den Einstieg gerade bei leichten Pods, die durch den Fahrtwind schnell nach hinten geweht werden. Hier einfach den Fuß mit dem Gummiband nach vorne ausstrecken und mit dem anderen Fuß Einsteigen. Die Gummizüge können bei fast jedem Liegegurtzeug nachgerüstet werden. Auch der rechtzeitige Ein- und Ausstieg aus dem POD sind am Anfang gewöhnungsbedürftig und sollten gerade bei der Landung rechtzeitig erfolgen und vorher geübt werden im Simulator. Fast alle Liegegurtzeuge können mittlerweile auch gut in der sitzenden Position ohne Beinsack geflogen werden, so dass man rechtzeitig beim Landen aus dem Beinsack gehen kann.


Über die Steuerung von Pod Gurtzeugen wird aus meiner Sicht viel unnötiger Quatsch geschrieben. Die heutigen Pod Gurtzeuge fliegen sich ähnlich wie Sitzgurtzeuge mit dem einzigen Unterschied das man mit ausgestreckten Füßen fliegt (machen einige Piloten ja oft schon mit Sitzgurtzeugen durch Beinstrecker und Storchenfüße die sie beim Thermikkurvenflug unnötigerweise nach vorne strecken und verwinden). Natürlich muss man sich erst an dieses neue Fluggefühl mit Beinsack und ausgestreckten Füßen gewöhnen und das dauert meist einige Flüge. Die Körpergewichtssteuerung ist ansonsten recht ähnlich wie beim Sitzgurtzeug. Wichtig ist hier eine Verlagerung und ein Kippen des Körpergewichtes (nicht nur des Oberkörpers) zu einer Seite des Gurtzeuges, Füße/Beine folgen dann. Überspitzt gesagt wird aber der Körpergewichtssteuerung aus meiner Sicht eine zu große Bedeutung zugeschrieben und ist ein Relikt von früher, wo wir ineffiziente Bremsen, langsame Gleitschirme und wenig effiziente Gleitschirmprofile hatten. Hier war die Körpergewichtssteuerung zumindest deutlich wichtiger als heute. Das Körpergewicht wird zudem von vielen Piloten falsch eingesetzt und oft ist die Gewichtssteuerung aufgrund fehlender Sitzbretter/ Hängematten Sitzschalen nur noch eingeschränkt möglich. 

 

Auch die Hersteller haben den Trend der stabilen Gurtzeuge wieder aufgegriffen, so das mittlerweile fast alle Liegegurtzeuge eine hohe Stabilität bieten ohne dabei extrem große Einbußen für das Schirmfeeling zu haben. Natürlich hat die Stabilität (ABS Gurte, tiefe Aufhängung, Hängematten Prinzip usw.) auch ihre Schattenseiten. Die Twistgefahr gerade bei Kappenstörungen steigt rapide an – übrigens auch bei Gurtzeugen mit Heckbürzel. Was beim Geradeausflug für mehr Spurtreue und etwas Leistungsboost sorgt, wirkt beim Extfremflug kontraproduktiv. Wichtig bei sich ankündigenden Kappenstörungen finde ich das man eine hohe Körperspannung aufbaut bei möglichst aufrechter Sitzposition und die Beine im Pod nach außen spreizt, dabei aber den Druck auf die Podplatte noch gut hält. Fakt ist das ein POD Gurtzeug nicht die gleiche Sicherheit bietet wie ein Sitzgurtzeug wenn es um Extremflug geht. Ich habe einige Abstürze gesehen mit Liegegurtzeugen die mit einem Sitzgurtzeug sehr wahrscheinlich nicht passiert wären. Dennoch machen die Liegegurtzeuge natürlich einfach Sinn wenn es um warme Füße, Bequemlichkeit, Leistungsboost, effizientes Beschleunigen, und ein aufgeräumtes Cockpit geht. Klar machen sollte sich aber auch jeder Hobbyflieger das man mit einem Sitzgurtzeug genau so weite Strecken fliegen kann wie mit einem Liegegurtzeug.

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