Gleitschirm Zweileiner

Gleitschirm Sicherheitstraining Gardasee Niviuk Klimber3P

Zweileiner nennt man die Gleitschirme die nur noch zwei Tragegurtebenen (meist eine von der Eintrittskante aus gesehen, zurück gesetzte A und B Ebene) haben. Tatsächlich sind aber die heutigen Zweileiner streng genommen gar keine “echten” Zweileiner mehr, wie die erste Generation an Wettkampfschirmen, den sogar der legendäre Enzo3 gabelt ganz oben in der Galerie nochmal an ein paar wenige “Mini Zusatzebenen bzw. -punkte” am Untersegel auf und bildet damit mehr als nur 2 echte Leinenebenen (siehe Leinenplan).

Leineplan vom legendären Ozone Enzo3 Wettkampfschirm: Ein Zweileiner mit ein paar Mini Aufgabelungen am Untersegel.

Hybrid Zweileiner

Schirme wie z.B. der Delta4/Alpina4, Rush6/Swift6 von Ozone sind sog. Hybrid Zweileiner, d.h. haben im Außenflügel nur noch zwei Leinenebenen, im Innenflügel aber noch 3 Leinenebenen und somit auch 3 Tragegurtebenen. Damit sollen sie die Vorteile der Zweileiner mit denen der Dreileiner vereinen. Die Steuerung im beschleunigten Flug erfolgt mittels einer sog. B/C Steuerung wo der/die PilotInn oft einen Gurt zwischen B/C Ebene hat der sich ähnlich einer reinen B Steuerung herunter ziehen lässt und man so zum Teil sogar steuern oder zumindest im beschleunigten Flug leichte Turbulenzen ausgleichen/abfedern kann. Dies wurde z.B. hervorragend beim Alpina4 (Delta4) und Swift6 (Rush6) von Ozone umgesetzt.
Da wir immer wieder Fragen bekommen wo denn nun genau die Vor- und Nachteile von Zweileinern liegen, habe ich hier eine kleine Zusammenfassung geschrieben (ohne Gewähr auf Vollständigkeit und auch eine komplette Allgemeingültigkeit für alle Marken und Schirme will ich hier ausschließen. Es gibt immer Ausnahmen von der Regel)

Leinenplan eines Ozone Swift 6: Hier sieht man die 3 Leinenebenen im Innenflügel und im Außenflügel lediglich 2 Leinenebenen (Hybrid 2 Leiner oder 3/2 Leiner)

Vorteile von Zweileinern

Mehr Leistung (v.a. durch weniger Leinenwiderstand): Zweileiner gehen, gerade gegen den Wind enorm gut. Das hatte ich bisher bei allen geflogenen Zweileinern bemerkt. Der Grund liegt wohl in der Trimmung, dem Profil und dem reduzierten Leinenwiderstand. Achtung beim (Top) Landen! Wenn Du vorher noch keine Zweileiner geflogen bist, wird Dich die Leistung überraschen.


Effiziente B-Steuerung im beschleunigten Flug: Wer zum ersten Mal die B-Steuerung bei einem guten Zweileiner im beschleunigten Flug ausprobiert, wird einfach nur begeistert sein. Im Vergleich zur B/C Steuerung ist hier meist deutlich weniger Druck auf den Gurten und die Steuerung noch um einiges effizienter. Bei Zweileinern kannst Du damit richtig gut Turbulenzen Abfangen ohne an Leistung zu verlieren und die B-Handles fühlen sich an wie eine Erweiterung der Steuerleinen. Ich war sehr oft in Versuchung die Steuerleinen gar nicht mehr zu benutzen und nur über die B Steuerung zu fliegen (Ozone Zeno2). Beim Landen empfiehlt sich aber nach wie vor die Steuerleine zu nutzen 😉


Sehr hohe Klappresistenz und Kappenstabilität: Durch die hohe “Wingload” (maximale Last auf den A-Leinen), die nötigen Versteifungen im Segel aufgrund der reduzierten Leinenzahl und ein paar weitere technische Details fühlen sich die meisten Zweileiner Kappen “bombproof” an. V.a. wenn man Vollgas fliegt, werden sie gefühlt noch stabiler. Auch harte Turbulenzen kommen deutlich abgedämpft beim Piloten unten an und geben Dir ein “sicheres” Fluggefühl. Durch die hohe Stabilität übertragen sich die Turbulenzen auch nicht so sehr auf das Gurtzeug (Kippen der PilotInnen im Gurtzeug und Gierbewegungen des Gurtes) und sorgen für einen extra Performance Boost.

Nachteile von Zweileinern

Heftigere Klapper/Verhänger: Zweileiner sind sehr Klappresistent, aber wenn sie Klappen dann meistens sehr groß und aggressiv und durch den großen Abstand zwischen den Leinen und Leinenebenen verhängen viele Zweileiner angeblich schneller als 3 Leiner weil sie “mehr Tuch fangen können”. Dies konnte ich bei unseren Sicherheitstrainings noch nicht so konkret bestätigen (auch Dreileiner in der D-Klasse haben hier zum Teil schnell Verhänger, es scheint aber etwas daran zu sein). Fakt ist, das sich Zweileiner oft extrem schwer oder gar nicht reproduzierbar und sinnvoll simuliert klappen lassen beim Sicherheitstraining, wenn man keine zusätzlichen Falt- bzw. Klappleinen anbringt (Klappleinen sind zusätliche Leinen die weiter vorne an der Eintrittskante entgegen der zurückgesetzten A-Leinenebene angebracht werden können, um sinnvolle Klapper einzuleiten). Bei Frontklappern riskiert man immer Totalzerstörer und es gleicht eher einem Glücksspiel als einem sinnvollen Training weshalb viele Pilotinnen und Piloten mit Zweileinern ohne Faltleinen erst gar keine Klapper mehr simulieren (die Franzosen und Schweizer bilden hier oft eine Ausnahme und simulieren heftige “Totalzerstörer” durch eingeleitete Steilspiralen mit darauf folgendem “heraus spicken” lassen. Durch das massive Nickmoment mit kleinem Anstellwinkel kommt es dann sogar beim versteiften Zweileiner zwangsläufig zum massiven Klapper. Ob das sinnvoll ist muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist das Totalzerstörer immer ein kleines Überraschungspaket sind und oft mit einem Retter Abgang ins Wasser enden.)
Trügerische Sicherheit: Durch die extreme Stabilität nimmt der Pilot eventuell sehr turbulente Luft nicht mehr so ernst oder gut wahr, so dass man sich schnell verleiten lässt, auch in heftigen Bedingungen “durchzubeißen”.


Erschwertes Start- und Bodenhandling: Ein angeblicher Nachteil bei Zweileinern soll sein, das diese ein (im Vergleich zum Dreinleiner) erschwertes Boden- und Starthandling besitzen. Auch dies kann ich nicht für alle Schirme bestätigen. Schirme wie der Artik Race von Niviuk, Ozone Zeolite und Ozone Zeno2 haben ein hervorragendes Start-/ Starkwind und Groundhandling trotz zurückgesetzter A-Leinen und zum Teil schwererer Kappe. Es stimmt allerdings das durch die zurück gesetzten A-Leinen manche Schirme beim Start anfangs etwas widerwilliger füllen (Umklappen der Eintrittskante). Wenn sie aber “Luft geschnappt” haben, ist das Handling (abgesehen von der erhöhten Spannweite und Streckung) ähnlich gut wie beim Dreileiner. Die Handles an den B Tragegurten empfinde ich persönlich als absolutes Plus um den Schirm schnell bei Starkwind zu “killen”. Sie sind einfach zu erreichen und haben dank der Zweileiner Technologie oft weniger Druck, was ein Stallen bei den meisten Modellen vereinfacht.
Unbeabsichtigtes Stallen im Flug: Die B-Handles haben meist sehr wenig Steuerdruck und es ist bei vielen Modellen möglich den Schirm unbeschleunigt (bei manchen sogar beschleunigt) durch sehr tiefes ziehen in eine Art Stall/Sackflug zu bekommen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Natürlich sollte man die B-Handles nur im beschleunigten Flug verwenden aber es hat sich gezeigt, dass viele Pilotinnen und Piloten die B-Steuerung mittlerweile auch für das Thermikfliegen einsetzen.


Unbeabsichtiger Klapper: Zweileiner sind manchmal noch anfälliger auf Bremsinputs während man beschleunigt fliegt. Dies wird zwar mittlerweile bei der Zulassung bei allen Schirmen getestet, aber ich würde mich nicht unbedingt darauf verlassen (andere Luftmasse, andere Zuladung, Turbulenzen usw. und die Schirmen zeigen schnell mal ein abweichendes Verhalten von der Zulassung). Deshalb gilt besonders für Zweileiner im beschleunigten Flug: “Dont touch the brakes!” Tunlichst vermeiden sollte man zudem auch ein zu schnelles heraus gehen aus dem Beschleuniger. Die neue Generation an Zweileinern ist verdammt schnell getrimmt. Wenn man zu schnell aus dem Gas geht, erhöht sich schlagartig der Anstellwinkel und in Kombination mit unruhiger Luftmasse und falschem Pilotenverhalten (Bremseinsatz) kann es schnell zum unbeabsichtigten Stall kommen.
Ohren Anlegen: Ohren Anlegen mit Zweileinern ist oft so eine Sache. Manchmal schlagen die Ohren stark wenn man sie mit den A-Leinen rein holt oder sind nicht effektiv. Oft wird die B Leinen Ohren Methode empfohlen. Hier sind die Ohren meist stabiler (immer angängig vom Schirm natürlich), fühlt sich aber manchmal auch seltsam an und nicht immer gesund (Stallgefahr). Allgemein sind die Abstiegsmanöver oft etwas uneffektiver und etwas schwieriger einzuleiten. Dies gilt aber eher bei allen Hochleistern und ist weniger ein Zweileiner Problem.


Trimmtuning: Durch die reduzierte Leinenanzahl müssen Zweileiner meistens früher und öfter nachgetrimmt werden um ihre Eigenschaften zu behalten.

 

 

Ich muss Zugeben das ich Zweileiner einfach geil finde. Sie fliegen sich wahnsinnig schön und das Thermikhandling und Drehverhalten hat sich im Vergleich zur alten Generation an Zweileinern deutlich verbessert und steht dem eines guten Dreileiners in nichts mehr nach. Man sollte sich aber trotz der hohen Stabilität nicht zu schnell in falscher Sicherheit wiegen. Wenn die Dinger klappen dann gehts richtig ab! Diese Schirme sind auf maximale Leistung und Speed gebaut und je schneller die Kiste fliegt desto heftiger fallen auch Störungen aus. Wenn Du einen Zweileiner fliegst solltest Du unbedingt fit in Stalls sein und Dich mit dem Lösen von Verhängern gut auskennen. Zum Hausbergfliegen und Angeben sind die Schirme fast zu schade. Die wahren Vorteile zeigen sich vor allem im beschleunigten Fliegen und bei langen XC Flügen. Neuerdings ist der Trend (2023) die sog. C Zweileiner. Durch die neue Zulassungsvorschrift fallen nun Zweileiner nicht mehr automatisch in die D Kategorie und können auch als C (oder vielleicht auch B?) zugelassen werden. Bis vor kurzem habe ich nicht ganz verstanden worin der Sinn eines C Zweileiners liegen soll, außer das ein paar Wettkampfflieger vielleicht noch in der C Klasse damit teilnehmen dürfen. Einem guten Zweileiner PilotInnen ist eigentlich egal ob der Schirm eine C oder D Zulassung hat. Nachdem ich aber den neuen Artik Race geflogen bin, wurde ich eines besseren belehrt. Die C Zweileiner fühlen sich subjektiv tatsächlich noch etwas sicherer an und fliegen sich nochmal einfacher als z.B. ein Ozone Zeno2. Auch das Stallverhalten ist etwas einfacher als bei gestreckteren D Zweileinern und der Start gestaltet sich noch einfacher. Ich bin gespannt wo die Entwicklung hin geht. Kritisch hinterfragen sollte sich jede Pilotinn und jeder Pilot, gerade mit den neuen C Zweileinern die den Einstieg in die Zweileiner Welt noch einfacher gestalten, ob es wirklich eine Zweileiner Race Maschine sein muss oder ob die normale Dreileiner Konstruktion nicht doch ausreicht.
Chris Geist Paragliding Academy GmbH
Chris Geist
Geschäftsführer
Ich selbst fliege außer bei meinem Bergsteigerschirm/Miniwing inzwischen fast ausschließlich Zweileiner. Bis dahin habe ich etliche hundert Stunden unter Schirmen der A/B und C-Klasse verbracht. Durch meine Erfahrung möchte ich noch ein paar Impressionen anfügen. Das Leistungplus kann in der Hand von guten Piloten auch ein Sicherheitspolster bei Toplandungen sein. So kann bei Sogenannten „Speedlandings“ in sehr steilem Gelände oder mit Rückenwind noch sicher gelandet werden. Viele von euch werden das Video von Chrigel Maurer bei der Landung neben einem Wasserfall in sehr steilem Gelände kennen. Auch sind die Unterschiede der Zweileiner untereinander inzwischen so groß, dass hier in meinen Augen nochmal eine Grenze gezogen werden muss. X-Alps Zweileiner oder die neuen C-Zweileiner verzeihen viel mehr Fehler als reinrassige Wettkampfschirme wie Zeno2 oder Enzo3. So führt ein Bremseinsatz im Beschleunigten Flug nicht unweigerlich zu einem Klapper oder die Leistung kann durch Flapping stark reduziert werden. Auch fahren die Schirme nach einem Strömungsabriss schneller wieder an ohne die Bremsen aktiv komplett Freizugeben. Durch Leichtbau und die geringere Streckung sind diese meist für ihre Klasse sehr einfach zu starten. Soll nicht heißen, dass diese für jeden Mann und Frau geeignet sind. Die hohe Streckung erfordert Training und Erfahrung um in allen Bedingungen sicher und kontrolliert zu starten. Die Leistung der Schirme macht sich auch hier bemerkbar, so führt ein zu aggressives aufziehen bei stärkerem Wind gerne zum aushebeln des Piloten. Die Möglichkeiten der Steuerung über die B-Ebene unterscheiden sich auch je nach Konstruktion. Da in den meisten Fällen die äußere A nur Anteilig beschleunigt wird, verändern wir das Profil, wenn wir durch Herabziehen der B-Ebene dem Beschleuniger entgegenwirken wollen. So habe ich festgestellt, dass sich Öhrchenroller oftmals besser durch nach Innenbewegen der B-Ebene verhindern lassen. Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass auch ein Zweileiner keine Garantie für weite Strecken ist. Denn eine gute Linie und sauberes Thermikkreisen machen jedes Leistungsplus eines besseren Schirms weg 😉
Christian Schugg
XC und Wettkampf Pilot
Ich fliege seit Jahren auf Strecke, im Wettkampf oder auch sonst abgesehen von meinem Singleskin fast ausschließlich Zweilener. Sei es ein Enzo3, Zeno2 oder Zeolite, die Leistung, das mittlerweile extrem präzise Handling und der einfache Aufbau sind für mich gerade in hike&fly Rennen unter Stress oder bei großen Streckenflügen ein entscheidender Vorteil. Selbsverständlich ist aber ein entsprechend hohes Pilotenlevel vorausgesetzt um diese Vorteile auch nutzen zu können. Ein Zweileiner alleine macht einen nicht schneller wenn man nicht regelmäßig im Gas steht. Wer sich nicht sicher ist ob er/sie bereit für einen 2-Leiner ist kann ich wärmstens empfehlen zunächst etwas mehr Zeit unter aktuellen EN-C Hybrid 3/2-Leiner wie den Alpina4 zu verbringen. Den Alpina4 bin ich selber einen Frühling lang geflogen und kann sagen, die Leistung ist verglichen mit X-Alps 2-Leinern nicht weit weg, das Extremflugverhalten nochmal deutlich entspannter und die Steuerung über die hintere Ebene funktioniert auch sehr gut. Ich selber habe mir für diese Saison jetzt den Ozone Photon (EN-C 2-Leiner) bestellt und bin sehr gespannt, was diese neue Kategorie von Schirmen leisten kann und wie sie sich im Extremflugverhalten verglichen mit aktuellen EN-C Schirmen verhalten. Für alle die schon länger mit dem Gedanken spielen auf einen 2-Leiner umzusteigen, und ein entsprechendes Pilotelevel mitbringen, dürften diese Modelle die Perfekte Wahl sein um in den Genuss der 2-Leiner zu kommen und ein Leistungsplus ohne deutlich höheren Anspruch zu bekommen Genaueres wird die kommende Saison offenbaren, ich bin gespannt!
Maurice Koller
XC und Wettkampf Pilot

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